Fast jede Führungskraft möchte sich mehr Zeit für strategisches Denken nehmen. In einer Umfrage des Harvard Business Review (HBR) unter 10.000 Führungskräften gaben 97 % von ihnen an, dass strategisches Führungsverhalten das Wichtigste für den Erfolg ihrer Organisation sei. Und doch gaben gleichzeitig ganze 96 % der befragten Führungskräfte an, dass ihnen die Zeit für strategisches Denken fehlt.
Diese Studie haben wir zum Anlass genommen, um im Rahmen unseres Vistage CEO Gruppenmeetings einerseits die Gründe für die fehlende, strategische Zeit zu identifizieren und andererseits das Verbesserungspotenzial zu erarbeiten. Schließlich sollte ein guter CEO viel mehr am als im Unternehmen arbeiten!
Mögliche Ursachen
Oftmals haben Führungskräfte das Gefühl, erst muss die tägliche Arbeit erledigt werden und dann hat man die Zeit und den Kopf für die Strategie. Das Problem ist aber, dass die Produktivität bei mehr als 50 Stunden pro Woche deutlich abnimmt, da ist nicht mehr viel Spielraum für kreatives Strategiedenken.
Ein weiteres Phänomen ist, dass Geschäftigkeit oft als ein Zeichen des sozialen Status, des beruflichen Erfolgs gewertet wird. Indem wir anderen sagen, wie beschäftigt wir sind und die ganze Zeit arbeiten, suggerieren wir implizit, dass wir gefragt sind.
Machen wir uns nichts vor, natürlich wird unser Kalender von Meetings dominiert und wir werden von E-Mails überhäuft (laut einer Analyse von HBR durchschnittlich 126 pro Tag)! Aber genau das muss optimiert werden!
Für uns galt es nun Wege und Best Practices zu erörtern und zu teilen, wie man Routinegeschäftigkeit eindämmt und sich den nötigen Freiraum für strategisches Denken schaffen kann. Daraus ergaben sich folgende drei Erkenntnisse, ergänzt mit wertvollen Vorschlägen.
1. Minimaler Aufwand, große Wirkung
Strategisches Denken erfordert nicht unbedingt viel Zeit. Es geht nicht darum, endlose Sabbaticals zu nehmen oder an Führungsretreats teilzunehmen. Man braucht nicht zwingend viel Zeit, um eine gute Idee zu haben, aber man braucht Platz im Kopf. Und den findet man nicht bei 10 h Routinearbeit am Schreibtisch, sondern beim Spaziergang, beim Sport, beim wisdom walk mit einem Kollegen, beim CEO-Gruppenmeeting, bei allen Aktivitäten, die den täglichen Wahnsinn durchbrechen.
2. Zeiterfassung als Basis
Es ist eine Grundvoraussetzung für Effizienz, sich darüber im Klaren zu sein, womit man den Arbeitstag verbringt (you can‘t improve what you don’t measure). Starten sie einmal ein Zeiterfassungsexperiment und zeichnen sie über einen längeren Zeitraum auf, wie Sie jede halbe Stunde im Laufe eines Monats verbringen. Das ist definitiv nicht einfach, da wir es gewohnt sind unser Leben zu leben und nicht aufzuzeichnen. Aber die daraus resultierenden Daten sind extrem wertvoll, da sie Ihnen deutlich aufzeigen, wo und wie Sie Ihre Zeit verbringen. Es ist durchaus möglich, dass es Aufgaben gibt, die Sie kombinieren, verschieben oder delegieren können, um sich ein paar zusätzliche Stunden pro Woche zu verschaffen – mehr als genug, um aus dem täglichen Trubel herauszukommen und in den Flow-Zustand zu gelangen, um über eine Gesamtstrategie nachzudenken.
3. Beschäftigt sein bedeutet nicht gleichzeitig wichtig sein!
Zuletzt müssen wir uns von dem impliziten „beschäftigt = wichtig“-Paradoxum unserer Kultur lösen. Der wahre Status einer Führungskraft besteht nämlich darin, dass man nach eigenem Ermessen aus dem Hamsterrad aussteigen kann. Probieren sie einmal folgendes: Wenn Sie das nächste Mal eine Mail mit der Einleitung „Ich weiß, dass Sie unglaublich beschäftigt sein müssen“ bekommen. Antworten Sie doch einmal mit: „Nein, ich bin nicht beschäftigt“! Es ist wie: „Nein, ich muss nichts für irgendjemanden tun, was ich nicht tun möchte … ich habe Zeit.“ Ändern Sie einfach mal die Art und Weise, wie Sie über Ihre Geschäftigkeit denken.
Solange uns keine KI ersetzt oder zumindest einen großen Teil unserer Arbeit als Führungskraft abnimmt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Verantwortung, die uns auferlegt wird, in absehbarer Zeit abnehmen wird. Wenn wir in unserer Karriere aufsteigen und gleichzeitig der globale Wettbewerb weiter zunimmt, ist es sicher, dass von uns erwartet wird, mehr zu tun und mehr zu produzieren. Ohne eine konzertierte Anstrengung wird es für die Strategie – trotz unserer Beteuerungen über ihre Bedeutung – wieder einmal leicht, an das Ende der To-do-Liste zu rutschen.
Als Gruppe haben wir uns dazu committed, proaktive Schritte zu unternehmen, um strategisches Denken in unser Leben und vor allem unseren beruflichen Zeitplan einzubetten. Nur so können wir für ein Ziel stehen, das wir, Sie und 97 % der anderen Führungskräfte als entscheidend anerkennen: Strategisches Denken!
Machen Sie es wie wir in unserer Gruppe, formulieren Sie eindeutige Ziele, klare Commitments und teilen Sie diese mit einer Person Ihres Vertrauens, nur so können Sie sichergehen, dass strategisches Denken auf der Prio Liste auch da bleibt, wo es hingehört: ganz oben und zuallererst!